Drei Jahre. Es ist kaum zu fassen, dass du schon drei ganze Jahre nicht mehr bei mir bist. In dieser Zeit habe ich oft an dich gedacht – an uns. Du hast mein Leben nicht nur bereichert, ohne dich wäre ich heute nicht ich. Wir hatten eine Verbindung, die ich mit Worten kaum beschreiben kann. Doch ich möchte es trotzdem versuchen, weil das Erzählen von dir ein bisschen so ist, als wärst du noch da. Es sind all die Erinnerungen, die dich lebendig halten.
Ich denke sehr häufig an unsere Spaziergänge. Die waren etwas Besonderes. Und dein leicht ungleiches Gangmuster – klack, klack, klack, platsch. Genau wie ich hattest auch du eine etwas schiefe Hüfte. Wir passten einfach zusammen wie Heu und Ballen.
Und ich bin sicher, du hast das genauso gespürt. Wir verstanden uns immer ohne Worte. Wenn du merktest, du warst zu schnell, bist du langsamer geworden, damit ich mitkam.
Wenn dir etwas weh tat oder eine Bremse auf dir landete, dann hast du mir das Körperteil hingehalten. Das war beinahe verrückt und die, die das sahen, konnten es kaum glauben. Ich brauchte dich nur zu fragen: „Wo?“
Und nicht zu vergessen: Es musste zwingend Salbe drauf. Wenn Salbe drauf kam, war es fast wieder gut 😂
Hattest du vor etwas Angst (was leider ständig vorkam, mein armer Hasenmann), kam: Prusten, dich rückversichern, dass ich da war und keine Angst hatte, laut Schlucken und Ausatmen sowie dann leicht zitternd weitergehen. Natürlich auf leisesten Sohlen, man kann schließlich nie wissen.
Auch beim Tierarzt musste ich oft selbst agieren. Röntgen ging nur, wenn ich die Platte hielt und dein Bein platzierte. Das Endoskop für die Bronchoskopie schob ich damals auch selbst. Was ein Glück, dass ich gelernte TFA bin.
Wurmkuren nahmst du von mir ohne mit der Wimper zu zucken – frei ohne Halfter. Stallbesitzer konnten sie dir nicht mal mit Halfter und Strick geben. Ich erinnere mich da an eine fluchende I., die mir erzählte, du wärst steigend und wild bockend um sie herumgerannt. Während ich dir kurz die noch bereitliegende Wurmkur ohne alles gab. Sie meinte, du seist ein A... 😅
Ich habe selten ein misstrauischeres Pferd gesehen. Du hattest ein großes Päcklein zu tragen. Du hast deine ersten Lebensjahre nie vergessen und warst einfach zu sensibel für den Weg, den du gehen musstest.
Auch zu reiten warst du ein absoluter Traum - wenn man immer fair war. Du wolltest alles geben, hast zugehört und ich habe nie auf einem Pferd mit weicheren Gängen gesessen.
Im Gelände hingegen wolltest du auch alles geben – alles an Geschwindigkeit, Chaos und Kilometern. 😂
Meine Güte, du warst beileibe nicht einfach. Wenn man versucht hat, dich festzuhalten, bist du explodiert. Doch wenn man dir einen Vertrauensvorschuss gewährte und selbst genug Ruhe hatte, war alles gut.
Wir waren so unfassbar viel unterwegs. Ich erinnere mich noch sehr gut an diese urwitzigen Skilangläufer. Sie hatten hautenge pinke und hellblaue Ganzkörperanzüge an und dazu eine sehr lange baugleiche Zipfelmütze. Du bist beinahe aus dem Fell gesprungen. 😅
Sie waren plötzlich auf unserem Weg am Waldrand, obwohl dort gar keine Loipe war. Ich habe dich mit dem höchstmöglichen Geschick ins lichte Unterholz dirigiert. Immer auf der Hut, dass du nicht vor einen Baum springst in deiner Panik. Gleichzeitig musste ich so unfassbar lachen, weil die so witzig aussahen. Wie in einem Comic.
Auch ewig in Erinnerung bleibt mir die Geschichte mit dem Pilz. Wir waren im Wald unterwegs mit einer Stallfreundin und deren Stute. Wir galoppierten voraus. Und dann stand plötzlich rechts am Wegesrand ein riesiger weißer Parasolpilz. Der war wenige Tage zuvor noch nicht da, Skandal! Ich glaube, ich spürte dein Herz gegen den Sattel hüpfen vor Schreck. 😂 Und ich wette, deine Augen waren größer als der Hut vom Pilz.
Was folgte war eine einzige fließende Bewegung aus:
Kopf hochreißen
dich wie eine Ziehharmonika zusammenschieben, weil deine Hinterhand noch galoppierte, während du vorn schon standst
einer Drehbewegung um 180 Grad
den Galopp fortsetzen
Die Augen meiner Stallfreundin waren mindestens so riesig wie deine, als wir ihr plötzlich wieder entgegenkamen. Und das alles auf etwa 20 Metern. Es war herrlich. 😂
Du warst immer für eine Geschichte gut. Deshalb bist du sicherlich vielen Menschen in Erinnerung geblieben. Vor allem durch deinen Schabernack, deine Bananenliebe und deine höfliche Art.
Niemals hättest du jemanden angerempelt, Essen geklaut oder wärst im Weg gestanden. Viele waren immer wieder erstaunt, wie brav du gewartet hast, bis dein Futter im Trog und man selbst weggegangen war. Dabei hast du immer vor Gier gebrummelt und gerufen. 😂 Dein Markenzeichen zu jeglichen Futterzeiten.
Selbst wenn du am Strick richtig in Panik gerietst, bliebst du vorsichtig. Wie damals, als die Kinder mit den Taschenlampen weit vor uns auf dem Hügel in der Dunkelheit herumliefen. Da ranntest du wie von Sinnen um mich herum. Dabei ist der Strick kein einziges Mal gespannt gewesen. Auf den Fuß bist du mir auch nicht getreten.
Und glaube mir, ich habe selten so sehr gewünscht, eine lautere Stimme zu haben. Es hat mir so leidgetan, dass die Jungs mich erst nach einer gefühlten Ewigkeit gehört hatten und die Lampen ausmachten.
Ich könnte ewig weiter erzählen. Von deiner Liebe zu Wasser beispielsweise, mit der ich ständig Gefahr lief, unfreiwillig baden zu gehen. Wenn wir einen Bach durchquerten, war es schwer, dich davon abzuhalten, dich hineinzulegen.
Ich erinnere mich auch noch an den dunklen und nassen Novemberabend, an dem eine riesige Pfütze auf dem Reitplatz stand. Du durftest ein wenig mit Decke dort herumlaufen. Ich sah die Pfütze erst in dem Moment, als du sie auch gesehen hattest. … Natürlich warst du schneller dort und lagst eher drin, als ich dich schimpfen konnte. 😂 Die Decke hielt tatsächlich dicht, sodass du nur ein nasses Bäuchlein hattest. Du verrückter alter Bär.
Es gibt so unendlich viele Geschichten über dich und doch reichen sie nie aus, um alles zu erzählen, was du für mich warst. Du warst nicht nur ein Teil meines Lebens, du warst ein Teil von mir – mein Seelenfreund, mein Lehrer, mein Spiegel.
Auch wenn die Trauer immer noch sehr schmerzt, empfinde ich tiefen Dank für die Zeit, die wir hatten. Dafür, dass du aufgrund einiger Zufälle in meinem Leben gelandet bist.
Und in jedem Lachen über deine Verrücktheiten, in jedem Herzklopfen der Erinnerungen und in jeder Träne der Trauer lebst du weiter. Ich vermisse dich unendlich, mein lieber alter Hasenmann. Immer.
Du mochtest meinen zutiefst persönlichen Blick auf mein Pferd? Vielleicht hast du selbst eines und möchtest mehr wissen über die Einäscherung von Rosso?
Dann lies gerne hier weiter:
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